RENAULT 5 E-TECH IM FAHRTEST: WAS DEN KLEINEN STROMER SO COOL MACHT – UND WO ES NOCH HAKT

Charmanter Franzose

Renault 5 E-Tech im Fahrtest: Was den kleinen Stromer so cool macht – und wo es noch hakt

Wenige E-Autos sorgen für so viele lächelnde Gesichter wie der Renault 5 E-Tech. Wir haben den Retro-Stromer ausgiebig getestet und verraten was er kann – und was nicht.

München – Was für ein erfrischender Anblick: Endlich mal ein Auto mit Charakter! Und dann noch ein Kleinwagen. In Zeiten, in denen gefühlt jedes zweite Auto auf den Straßen ein übergroßes 08/15-SUV ist, sticht der Renault 5 E-Tech deutlich heraus. Klar: Es ist ein Retro-Ansatz – aber in diesem Fall wirklich gelungen umgesetzt. Eine runde Mischung aus Vergangenheit und Moderne. Nicht zu knuffig, sondern mit einer ordentlichen Portion Biss. Zumindest optisch.

Der „originale“ R5 wurde von 1972 bis 1996 in zwei Generationen produziert. Die Anleihen sind bei der Neuauflage als Elektroauto unverkennbar. Meine erste Reaktion als der kleine E-Renault auf dem Parkplatz steht: nett, ein Dreitürer! Doch: Moment mal, stimmt ja gar nicht. Der R5 E-Tech hat tatsächlich auch hinten Türen, doch die sind auf den ersten Blick zunächst nicht zu erkennen, weil die Griffe oben, nahe der C-Säule, gut versteckt sind.

Verdutzte Blicke von Passanten: Wo geht das denn leiser?

Beim Einsteigen fühle ich mich auf Anhieb wohl. Der Innenraum versprüht tatsächlich den Charme der 1970er- und 1980er-Jahre, dazu stehen im Kontrast die modernen Bildschirme und die schicke Beleuchtung. „Cozy“ würden wohl viele jüngere Käufer heutzutage sagen. Direkt beim Start-Versuch ernte ich jedoch gleich einmal verdutzte Blicke von Passanten – weil mich das Navi derart laut anschreit, dass man es offensichtlich auch draußen noch deutlich hört. Nur: Wo geht das leise? Einen Drehregler gibt es nicht. Es dauert einige Zeit bis ich einen Hebel versteckt hinter dem Lenkrad finde: An dessen Vorderkante befinden sich die Lautstärke-Tasten zum Drücken. Am gleichen Hebel findet sich an der Rückseite ein Drehregler, mit dem man beispielsweise bei den Liedern weiterspringen kann. Eine ziemlich kuriose Platzierung und auch eine kuriose Belegung der Regler/Tasten mit den Funktionen.

Renault 5 E-Tech: Zwei Batterie-Optionen sind erhältlich

Den Renault 5 E-Tech gibt es mit zwei verschiedenen Batteriepaketen – immer mit Frontantrieb: Erhältlich ist eine 42 kWh-Version (Urban Range, ab. 27.900 Euro) sowie eine 52-kWh-Variante. Mein Testwagen (Comfort Range, 150 PS, 245 Nm Drehmoment) war mit dem größeren Paket ausgestattet: Die 52-kWh-Batterie soll bis zu 410 Kilometer Reichweite ermöglichen. Das scheint allerdings etwas optimistisch: Als ich den kleinen Stromer auf 100 Prozent geladen habe, zeigt das Display nur 303 Kilometer an – bei etwa zehn Grad Außentemperatur. Fast schon ungewohnt: Der Renault 5 E-Tech hat einen Startknopf, mit dem er quasi „fahrbereit“ geschalten wird. Manch andere Stromer – beispielsweise Tesla-Modelle wie das Model 3 – sind sofort „abfahrtbereit“.

Renault 5 E-Tech: Idealer Begleiter in der Stadt

Im Alltag erwies sich der Renault als äußerst angenehmer Begleiter – vor allem in der Stadt. Der kleine Wendekreis von 10,3 Metern in Kombination mit der leichtgängigen Lenkung machen ein äußerst entspanntes Fahren möglich. Vorne sitzt es sich bequem, mit gleichzeitig ausreichend Seitenhalt. Die Anfassqualität im Innenraum ist ansprechend, es gefallen vor allem die kleinen Design-Details, wie der Acryl-Würfel am Ende des Gangwahlhebels. Auch die Farbwechsel (je nach Fahrmodus: gelb, lila, grün oder rot) sind ein schöner Effekt – speziell das beleuchtete Renault-5-Logo. Das dicke Lenkrad liegt gut in der Hand. Und wenn die Temperaturen sinken, freut man sich über die Lenkrad-Heizung. Die braucht allerdings einiges an Anlaufzeit – dafür kommt sie dann auf Grill-Temperatur, sodass man sie auch wieder ausschalten muss, bevor die Hände weichgekocht sind.

So viel verbrauchte der Renault 5 E-Tech im Test

Die Höchstgeschwindigkeit des kleinen Renault liegt bei 150 km/h – auf meiner Autobahnfahrt standen zumindest 154 km/h im Display. Natürlich kann man sich hier etwas mehr wünschen, aber klar ist auch, dass der Renault 5 E-Tech als Stadtauto konzipiert ist. Und: Bis zu Tempo 150 beschleunigt der Franzose für seine nicht überbordende Leistung auch durchaus zügig – er wiegt ja auch leer „nur“ 1,6 Tonnen. Was den Stromverbrauch angeht, zeigte sich der kleine Franzose recht genügsam: Ich kam während meines mehrtägigen Tests mit Landstraße, Autobahn und Stadtkilometern auf 17,4 kWh/100 km.

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Laden mit dem Renault 5 E-Tech

Laden lässt sich der Renault 5 an Gleichstrom-Schnellladesäulen (DC) mit bis zu 100 kW. Das können andere deutlich schneller, allerdings ist auch der Akku nicht besonders groß – und bei meinen DC-Ladevorgängen lud der Renault relativ lange stabil mit deutlich mehr als 50 kW. Pauschale Aussagen sind aufgrund der vielen Faktoren, die beim Laden eine Rolle spielen, in so einem kurzen Test kaum möglich – aber in 30 Minuten sollte eine Ladung von 10 auf 80 Prozent durchaus drin sein. Viele werden den Franzosen ohnehin hauptsächlich an der heimischen Wallbox laden. Hier gibt Renault für unsere 52-kW-Version Ladezeiten von 3 Stunden und 13 Minuten an– hier sind leider maximal 11 kW (AC) möglich.

Schönheit hat ihren Preis

Nicht optimal: Die Übersicht. Weil die Franzosen ganz offensichtlich das Design über die Funktion gestellt haben, hat man hier manchmal Probleme. Beispielsweise, um eine Ampel zu erkennen – und muss sich dementsprechend verrenken. Und auch in der hinteren Sitzreihe merkt man, dass die Praktikabilität nicht oberste Priorität hatte. Klar: Es ist ein Kleinwagen, deswegen ist der Platz hinten knapp. Allerdings bekommt man – je nach Sitzeinstellung des Vordermanns – die Füße nicht unter die Vordersitze, weil zu wenig Luft ist. Das bedeutet: Entweder Fahrer und Beifahrer können sich keine passende Sitzposition gönnen – oder die Fondpassagiere müssen die Füße extrem verdrehen, was auf Dauer sicher keine Lösung ist.

Das Kofferraumvolumen geht mit 326 Litern für die Größe des Fahrzeugs völlig in Ordnung, da geht locker auch ein größerer Wocheneinkauf rein. Störend ist lediglich beim Ausladen die hohe Ladekante und dass es unter dem Boden keinen zusätzlichen Raum gibt – das Ladekabel liegt bei unserem Testwagen einfach so im Kofferraum.

Suboptimale Bedienung, inakzeptable Bildqualität der Rückfahrkamera

Was nervt sonst? Die Bedienung ist insgesamt nicht optimal. Schön ist, dass es „echte“ Tasten für die Klimabedienung gibt. Doch das Lenkrad ist mit jeder Menge Knöpfe überfrachtet, dazu gibt es drei (!) Hebel auf der rechten Lenkradseite für: Gangwahl, Lautstärke/Songwahl sowie die Scheibenwischerbedienung. Hier kommt man schon mal durcheinander – das ist auch im Hinblick auf die Sicherheit kritisch. Und: Mehrmals passierte es mir, dass der Gangwechsel trotz Hebelbetätigung nicht akzeptiert wurde, was vermutlich daran liegt, dass man besonders fest auf die Bremse steigen muss. Komplett inakzeptabel ist im Jahr 2025 die Qualität der Rückfahrkamera: Schlechte Auflösung und ein völlig verwaschenes Bild – das muss bei einem Facelift dringend behoben werden.

Erinnern Sie sich an „Karl Klammer“?

Etwas schräg kommt auch der hin und wieder – aus unerfindlichen Gründen – auf dem Display aufploppende Assistent „Reno“ daher. Der Rhombus mit Augen erinnert stark an Clippy (deutsch: Karl Klammer), ein Assistent, der Ende der 1990er-Jahre in Microsoft Office eingeführt wurde. Und schon damals nervte. Dieses Feature wirkt etwas antiquiert und ungelenk. Vermutlich lässt sich das kleine Plappermäulchen aber irgendwo abstellen.

Positiv hingegen ist mir der Tempo-Warnton aufgefallen. Dieser „Alarm“ ist in der EU bei Neuwagen ab 1 km/h Überschreitung vorgeschrieben und kann einen bei manchen Fahrzeugen in den Wahnsinn treiben. Zwar lässt sich der „Assistent“ deaktivieren, schaltet sich aber bei jedem Start wieder von neuem ein. Im Renault erinnert der Ton an ein U-Boot-Sonar (zumindest wie man es aus Hollywood-Filmen kennt) und hält sich sehr dezent im Hintergrund, sodass man ihn nicht zwingend abschalten muss.

Baguette-Halterung gegen Aufpreis

Mein Testwagen war übrigens auch mit der – kein Witz – optionalen Baguette-Halterung ausgestattet (siehe Foto). Irgendwie ein witziges Gimmick, das wohl von der Blumen-Vase im VW Beetle inspiriert wurde. Allerdings kostet das handgefertigte Korbgeflecht mit dem Baumwoll-Inlay knapp 200 Euro Aufpreis – also wohl nur etwas für wahre Fans des französischen Weißbrots. Ich habe auch über alternative Nutzungsmethoden nachgedacht, aber viel ist mir nicht eingefallen: Kleine Plastikflaschen passen hinein – und vielleicht ein Regenschirm?

Mein Fazit zum Renault 5 E-Tech

Wie schön, dass es noch mutige Autohersteller gibt. Statt seelenlosem Allerwelts-Design oder mit der Brechstange erzwungener Aggro-Optik kommt der kleine Renault mit einem rundum gelungenen Gewand daher: Retro, aber geschickt aktuell interpretiert. Immer wieder schauten in meinem Testzeitraum Fahrer deutlich größerer (und teurerer) Mittel- und Oberklasse-Fahrzeuge zum Renault hinüber – mit einem Lächeln. Aus meiner Sicht ist der Franzose ein ideales Stadtauto für Singles oder Paare ohne Kinder – oder aber auch ein perfekter Zweitwagen. Apple Carplay und Android Auto (nur Letzteres habe ich getestet, lief einwandfrei) sind an Bord – genauso wie „echte“ Türgriffe. Schwächen hat der Franzose auch– abgesehen von der Hebel-Flut und der miesen Rückfahrkamera – sind diese aber zu verschmerzen. Ein Hindernis dürfte für viele am Ende wohl der Preis sein: Zwar geht es bei rund 27.900 Euro los, doch für die von mir getestete Top-Version werden dann schon rund 37.000 Euro fällig. Das fällt das Lächeln schon etwas schwer. (Quellen: eigene Recherche) (sop)

2025-10-09T09:56:05Z