VOM SUV BIS ZUM VAN: WARUM WERDEN AUTOS IMMER GRößER?

Auto-Hersteller verdienen mit großen Fahrzeugen das meiste Geld. Vor allem SUV sind bei vielen Menschen beliebt, andere kritisieren die XXL-Schlitten. Wieso ist der Trend zu immer wuchtigeren Autos ein Problem?

Das Lieblingsauto der Deutschen feierte kürzlich Geburtstag. 50 Jahre ist der VW Golf jetzt alt, und noch immer ist er das meistverkaufte Fahrzeug hierzulande. Doch das, was heute als Golf angeboten wird, hat nur noch wenig mit dem zu tun, was am 29. März 1974 erstmals vom Band gelaufen ist. Der Golf VIII ist einen halben Meter länger und rund eine halbe Tonne schwerer als der Golf I. Typisch! Verkehrsforscher Oliver Schwedes sagt: »Bei allen Auto­modellen beobachten wir einen Trend zu größer, schwerer, breiter.«

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Warum werden Autos immer größer?

Schwedes erklärt das so: »Die Autohersteller machen mit den großen Fahrzeugen die höchsten Gewinne.« Mercedes-Benz etwa baut, sieht man mal von der Tochter Smart ab, fast nur noch große Luxuskarren. Hinzu kommt: »Im Laufe der Zeit wurden Autos zunächst immer schneller, was zu schwereren Unfällen führte. Deswegen verbaute man mehr Sicherheitstechnik in den Autos. Heute gibt es zum Beispiel auf jedem Platz einen Airbag.« Der Golf I hatte keinen einzigen. Und: »Je größer ein Auto ist, desto komfortabler. Älteren Menschen fällt der Einstieg bei einem SUV leichter als bei einem niedrig gelegten Auto. Zudem fühlen sich Menschen in größeren Autos sicherer.« Und dann wäre da noch die Sache mit dem »Hähnchenkrieg«. Äh ... wie bitte?

Was hat die Politik damit zu tun?

Vor 60 Jahren ärgerten sich deutsche Geflügelzüchter darüber, dass billiges Hühnerfleisch aus den USA in Deutschland verkauft wurde. Sie brachten Politiker dazu, eine Entscheidung zu treffen: Wer Hühner aus den USA nach Deutschland lieferte, musste hohe Zollgebühren zahlen. So wurde das eigentlich günstige US-Fleisch teurer für die Verbraucher in Deutschland. Unerhört, fanden die Politiker in den USA. Im Gegenzug bestimmten sie, dass hohe Zollgebühren fällig wurden, wenn deutsche Firmen in den USA leichte Lastkraftwagen verkaufen wollten. Die US-amerikanischen Autobauer mussten sich nun nicht mehr vor Konkurrenz aus dem Ausland fürchten. Sie überzeugten ihre Politiker auch noch davon, dass SUV als leichte Lastkraftwagen gelten – und dass sie ­deshalb mehr Kraftstoff verbrauchen dürfen als ­normale Autos. Deshalb bauen US-amerikanische Firmen seitdem lieber SUV als Limousinen oder Kleinwagen. So begann der Sie­geszug der SUV in den USA – und schwappte von da aus in die ganze Welt über.

Jedes dritte neu zugelassene Auto in Deutschland ist inzwischen ein SUV. Doch nicht bei allen Leuten sind diese Autos beliebt. Krassestes Beispiel: die »tyre extin­guishers« (englischer Begriff für »Reifenauslöscher«), eine Gruppe von Klimaaktivisten, die nachts umherzieht und bei SUV die Luft aus den Reifen lässt.

Sind SUV wirklich so schlecht fürs Klima?

Schwerere Autos verbrauchen mehr Sprit als leichtere, kleinere. Mehr Spritverbrauch bedeutet mehr Abgase und damit auch größere Klimaschäden. Zwar gibt es auch unter den SUV immer mehr Elektrofahrzeuge. Doch die verbrauchen wegen ihrer Größe meist mehr Strom und benötigen zur Herstellung mehr Rohstoffe und Energie als kleinere Elektroautos. Unter den SUV gibt es aber auch einige kleinere Modelle wie den VW T-Roc. Der verbraucht weniger Sprit als mancher Minivan oder manche Limousine. Deswegen ist es zu einfach, nur auf SUV zu schimpfen.

Wie sicher sind die dicken Autos?

Sicherer sind sie für diejenigen, die drinsitzen. Für Leute draußen aber können sie zur Gefahr werden: Stößt ein SUV mit einem Klein­wagen zusammen, können die Insassen im kleineren Auto schwere Verletzungen erleiden. Oft heißt es auch, SUV seien für Fußgänger bei Unfällen gefährlicher als kleinere Fahrzeuge. Doch Fachleute können das nicht eindeutig bestätigen.

Wie ließe sich der Trend zu größeren Autos umkehren?

Der Stadtplaner Konrad Otto-Zimmermann fragt sich schon seit längerer Zeit: Wie viel Raum sollten wir den Fahrzeugen überlassen? Oder besser: den »Stehzeugen«, wie er sie nennt, weil die meisten nur herumstehen. »Viele Autos sind mittlerweile so groß, dass sie mit dem Heck oder der Motorhaube in den Gehweg ­hi­neinragen und somit Fußgängern den Weg versperren. Würde man einen Schrank auf den ­Gehweg stellen, würden sich alle darüber aufregen. Aber bei einem Auto ist das normal.« Otto-Zimmermann will die Menschen zum Umdenken bringen. Zusammen mit der Universität Kassel und dem Verkehrsclub Deutschland hat er ein Konzept entwickelt, das Fahrzeuge in Größenklassen einteilt – von XXS bis XXL, also vom Rollschuh bis zum Geländewagen. Er sagt: »Städte könnten Parkplätze für kleine, mittlere und große Fahrzeuge gesondert ausweisen – damit mehr kleine Fahrzeuge den Raum nutzen können, der sonst von wenigen großen zugestellt wird.« Man könnte auch das Parken für die größeren Fahrzeuge teurer machen. So ähnlich wie in Paris, wo Besucherinnen und Besucher, die ein über 1,6 Tonnen schweres Auto fahren, künftig mehr bezahlen sollen. Doch Otto-Zimmermann geht es nicht nur ums Gewicht. Er sagt, auch müsse die Höhe berücksichtigt werden, denn hohe Fahrzeuge wie SUV, Hochdach-Kombis und Klein­busse versperrten Fußgängern die Sicht, insbesondere Kindern. Der Experte Otto-Zimmermann hofft nun, Bürgermeister und Politikerinnen mit seinen Plänen überzeugen zu können.

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 5/2024.

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